Dermatochirurgie
Stefan Scholz, Wiener Neustadt
Chronische Wunden
Was versteht man unter einer chronischen Wunde?
Welche Ursachen können chronische Wunden haben?
Welche Untersuchungen können bei einer chronischen Wunde durchgeführt werden?
Welche Behandlungen der Grunderkrankung sind möglich?
Was versteht man unter einem Debridement?
Woran erkennt man eine Infektion der Wunde?
Welche Antiseptika kann man verwenden?
Was sind silberhältige Wundauflagen?
Warum sollten keine lokalen Antibiotika eingesetzt werden?
Wie wird die passende Wundauflage ausgewählt?
Kann man eine chronische Wunde operativ verschließen?
Was versteht man unter einer chronischen Wunde?
Unter einer chronischen Wunde versteht man einen Gewebsdefekt, der trotz fachgerechter Behandlung innerhalb von 3 Monaten keine Heilungstendenz zeigt bzw. innerhalb von 12 Monaten nicht abgeheilt ist. Die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung ist die Diagnostik und Therapie der zugrunde liegenden Erkrankung. Darüber hinaus unterstützt eine phasengerechte Lokaltherapie die Abheilung. Wundbehandlung ohne vorherige Diagnostik kann verheerende Konsequenzen nach sich ziehen.
Welche Ursachen können chronische Wunden haben?
Chronische Wunden können verschiedenste Ursachen haben. Es können Erkrankungen der Venen oder Arterien, Druck, Diabetes mellitus aber auch andere Ursachen wie z.B. Infektionen, Tumoren oder seltene Hauterkrankungen zugrunde liegen. Die häufigsten chronischen Wunden sind das Beingeschwür (Ulcus cruris), das Druckgeschwür (Dekubitus) und Fußläsionen bei Zuckerkrankheit (Diabetisches Fußsyndrom).
Welche Untersuchungen können bei einer chronischen Wunde durchgeführt werden?
Neben der Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese) und der Durchführung der klinischen Untersuchung können weitere Untersuchungen, wie z.B. Ultraschall-Untersuchungen (farbkodierte Duplexsonografie), Röntgenkontrastmitteldarstellungen (Angiografie) bzw. andere bildgebende Verfahren (CT, MRT) durchgeführt werden. In manchen Fällen ist die Entnahme von Gewebsproben zur Untersuchung unter dem Mikroskop (Histologie) oder zur Anzüchtung von Erregern (Mikrobiologie) notwendig. Außerdem sollten die Begleiterkrankungen, der Ernährungszustand und der Allgemeinzustand des Patienten erhoben und bei der späteren Therapieplanung berücksichtigt werden.
Welche Behandlungen der Grunderkrankung sind möglich?
Grundsätzlich ist die Sanierung bzw. Besserung der zugrunde liegenden Erkrankung der entscheidende therapeutische Schritt, um die Abheilung der Wunde zu erreichen. Zum Beispiel kann man bei einem Beingeschwür aufgrund eines Venenleidens (Ulcus cruris venosum) die Kampfadern operativ entfernen (Stripping-Operation). Alternativ zur Operation können die Venen mit einem Sklerosierungsmittel verödet werden oder mit minimal invasiven Verfahren wie Laser bzw. Radiowellen verschlossen werden. Ist die venöse Insuffizienz aufgrund einer Thrombose entstanden (postthrombotisches Syndrom), kommt der Kompressionstherapie eine entscheidende Bedeutung zu. Bei einem Beingeschwür infolge verengter Arterien (Ulcus cruris arteriosum) kann durch Aufdehnung der Gefäßengstelle oder durch eine Bypass-OP die arterielle Blutversorgung des Beines verbessert werden.
Was versteht man unter einem Debridement?
Unter einem Debridement versteht man die Entfernung von Belägen und Nekrosen (abgestorbenes Gewebe) von der Wundoberfläche. Diese Wundreinigung stellt immer den ersten Schritt in der Wundbehandlung dar. Das Debridement kann auf verschiedene Arten durchgeführt werden:
- Chirurgisches Debridement
Die Beläge werden mit Skalpell, Kürette oder scharfem Löffel entfernt. Wundtaschen werden weitgehend exzidiert. Je nach Ausdehnung der Beläge ist zur Schmerzausschaltung eine Lokalanästhesie oder Narkose notwendig. Das chirurgische Debridement ist die wirkungsvollste Art der Wundreinigung. - Enzymatisches Debridement
Dabei werden enzymhaltige Wirkstoffe in Form von Salben oder Gelen verwendet, welche die Kollagenbrücken spalten und somit eine schnellere Abstoßung der Nekrosen unterstützen. - Autolytisches Debridement
Hydrogel befeuchten die Wunde und unterstützen die körpereigenen Abbauprozesse. - Biochirurgisches Debridement (Madentherapie)
Bei dieser Methode werden Fliegenmaden der Gattung Lucilia sericata, die unter sterilen Bedingungen gezüchtet werden, in die Wunde eingebracht. Das Sekret der Maden enthält Enzyme, die Nekrosen verflüssigen.
Woran erkennt man eine Infektion der Wunde?
Auf jeder chronischen Wunde befinden sich Keime (Kontamination). Kontaminierte Wunden bedürfen keiner speziellen antiseptischen Therapie. Ist die Keimzahl sehr hoch, spricht man von Kolonisation. Bei kolonisierten Wunden sollten zeitlich begrenzt lokal antiseptische Maßnahmen durchgeführt werden. Eine Infektion erkennt man an den klinischen Entzündungszeichen Rötung, Schwellung, Überwärmung, Schmerz und Funktionseinschränkung. Zusätzlich kann es zu einer Zunahme der Exsudatmenge, zu einer Stagnation der Wundheilung und zu systemischen Infektzeichen (Fieber, Schüttelfrost, erhöhte Entzündungsparameter im Blut) kommen. Im Falle einer Infektion ist neben den lokal antiseptischen Maßnahmen die Gabe eines systemischen Antibiotikums (Tabletten oder Infusionen) erforderlich. Bei Verdacht auf Infektion sollte unbedingt eine ärztliche Begutachtung erfolgen.
Welche Antiseptika kann man verwenden?
Es gibt verschiedene Wirkstoffe, die sich zum Einsatz bei Wunden mit sehr hoher Keimzahl (kolonisierte Wunden) und infizierten Wunden eignen:
- Octenidin (z.B. Octenisept®)
- Polihexanid (z.B. Lavasept®)
- PVP-Jod (z.B. Betaisodona®, Braunol®)
Was sind silberhältige Wundauflagen?
Silber hat eine sehr gute antiseptische Wirkung. Außerdem ist Silber sehr gut verträglich und es sind bisher weder Allergien noch klinisch relevante Resistenzen bekannt. Deshalb existieren eine Vielzahl von silberhältige Wundauflagen, die bei Wunden mit sehr hoher Keimzahl (kolonisierte Wunden) und infizierten Wunden eingesetzt werden können.
Warum sollten keine lokalen Antibiotika eingesetzt werden?
Lokale Antibiotika (Salben, Cremes oder Lösungen) führen in vielen Fällen zu einer Resistenzbildung der Keime, d.h. die Keime werden gegenüber dem Antibiotikum unempfindlich. Ein weiteres Problem ist das Auftreten von Allergien, am häufigsten in Form eines allergischen Kontaktekzems. Außerdem wirken lokale Antibiotika wundheilungshemmend, was zu neuen Problemen in der Wundbehandlung führt. Daher sollten lokale Antibiotika bei der Behandlung von chronischen Wunden grundsätzlich nicht verwendet werden.
Wie wird die passende Wundauflage ausgewählt?
Der Auswahl der Wundauflage im individuellen Behandlungsfall muss eine sorgfältige Wundbeurteilung vorausgehen. Dabei ist entscheidend, ob sich die Wunde in der Reinigungs-, Granulations- oder Epithelisierungsphase befindet. Man spricht deshalb von der phasengerechten Lokaltherapie. Weiters sollte beurteilt werden, ob es sich um eine trockene oder feuchte Wunde handelt. Grundsätzlich hat sich das Prinzip der feuchten Wundbehandlung durchgesetzt, da ein feuchtes Milieu die Wundheilung beschleunigt.
Kommerziell steht eine große Palette von Wundauflagen zur Verfügung z.B. Hydrogele, Hydrokolloide, Alginate, Hydrofaserverbände, Schaumstoffe oder auch Kombinationsprodukte. Bei der Auswahl sollten die Prinzipien der phasengerechten Lokaltherapie und der feuchten Wundbehandlung berücksichtigt werden. Es gibt jedoch auch Wundsituationen, in denen eine trockene Wundbehandlung angezeigt ist.
Kann man eine chronische Wunde operativ verschließen?
Nach Behandlung der zugrunde liegende Erkrankung und Entfernung von Nekrosen und Belägen zeigen die meisten Wunden eine Heilungstendenz. d.h. die Wunde heilt von selbst ab (Sekundärheilung). In bestimmten Situationen kann jedoch erwogen werden, die Wunde operativ zu verschließen, z.B. wenn zu erwarten ist, dass der Wundverschluss bei Sekundärheilung nicht stabil genug sein könnte (Dekubitus) oder wenn bei sehr großflächigen Wunden mit einer sehr langen Behandlungszeit zu rechnen ist (großflächiges Ulcus cruris).Eine Möglichkeit des operativen Wundverschlusses ist die Lappenplastik. Dazu wird nach einer Schnitterweiterung die umgebende Haut in den Defekt verlagert und somit die Wunde verschlossen. Diese Technik kommt z.B. bei Dekubitus-Wunden zum Einsatz. Eine weitere Möglichkeit sind Transplantate, meist sogenannte Spalthauttransplantate. Dazu wird die obere Schicht der Haut in der Regel vom Oberschenkel mit einem Dermatom entnommen und auf die Wunde aufgebracht. Um ein Einheilen zu ermöglichen, sind ein Druckverband und eine Ruhigstellung von mindestens 5 Tagen erforderlich. Die Entnahmestelle ist mit einer Schürfwunde vergleichbar und heilt von alleine ab. Spalthauttransplantate werden häufig zur Deckung von Beinulcera angewendet.